Stundenverrechnungssätze

Hat der Versicherer Ihren Schaden gekürzt und Sie auf eine günstige Reparaturwerkstatt verwiesen?

BGH NJW 2003, 2086 (Porsche-Urteil)

Bei „fiktiver“ Abrechnung können Sie die Reparaturkosten zu Grunde legen, die ein von Ihnen beauftragter Sachverständiger anhand der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt ermittelt hat.

BGH NJW 2010, 606 (VW-Urteil)

Der Versicherer kann auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt verweisen, wenn diese einen der „markengebundenen Fachwerkstatt“ vergleichbaren Standard hat und für Sie ohne größere Schwierigkeiten erreichbar ist.

Der Verweis auf eine günstige Reparaturwerkstatt ist unzumutbar, wenn Ihr Fahrzeug nicht älter als drei Jahre oder durchgängig in einer markengebundenen Fachwerksatt repariert und gewartet wurde (scheckheftgepflegt). Sie tragen die Beweislast.

Mittlerer ortsüblicher Preis

Der BGH hat in allen seinen Entscheidungen hervorgehoben, dass bei fiktiver Schadensabrechnung nicht auf die Billiglöhne unterhalb des durchschnittlichen marktüblichen Preises heruntergekürzt werden.

Eine Verweisung des Versicherers auf Stundenlöhne, die unterhalb der mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze liegen, ist mit den Vorgaben des BGH weder vereinbar, noch zumutbar (BGH Urteil vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14 (zfs 2017, 256); LG Düsseldorf Urteil vom 13.01.2017 – 22 S 157/16.

Dies bedeutet folgendes:
Wenn der Stundenlohn der Werkstatt, die von dem Versicherer vorgeschoben wird, unterhalb dem ortsüblichen Marktdurchschnitt liegt, dann liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH keine zumutbare Verweisung vor.

Sonderkonditionen

Sie müssen sich im Rahmen der Schadenminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen (BGH, Urteil vom 28.04.2015 – IV ZR 267/14).

Voller Schadensersatz trotz Reparatur des Unfallfahrzeugs durch Bekannten – OLG Koblenz vom 11.05.2015 – Az. 12 U 911/14

Ein unfallgeschädigter Fahrzeughalter kann vom Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung auch dann Ersatz der von einem Gutachter geschätzten Reparaturkosten einer Fachwerkstätte fordern, wenn er den Wagen gar nicht oder selbst repariert. Allerdings erhält er nur den vom Gutachter geschätzten Reparaturaufwand ohne Mehrwertsteuer. Nichts anderes gilt nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, wenn der Geschädigte das Fahrzeug von einem Freund seiner Lebensgefährtin reparieren lässt. Dies berechtigt die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung nicht dazu, die Preisansätze einer Fachwerkstätte durch die einer kostengünstigeren freien Werkstatt zu ersetzen und entsprechend geringeren Schadensersatz zu leisten, DAR 2015, 462.

Unfallschaden: Verweisung an freie Fachwerkstatt zulässig – BGH vom 15.07.2014 – Az. VI ZR 313/13

Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, dass der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht – zumindest bei einem Fahrzeugalter von mehr als drei Jahren – grundsätzlich auf eine freie Werkstatt verwiesen werden kann. Dies setzt voraus, dass in der markenungebundenen Werkstatt nachweislich eine Reparatur in gleicher Güte und Qualität möglich und die Werkstatt für den Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist und auch sonst keine Umstände vorliegen, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen. Der Verweis auf eine günstigere Werkstatt durch die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist – so die Bundesrichter – bei einer fiktiven Schadensabrechnung auf Gutachtensbasis grundsätzlich auch noch während des Rechtsstreits möglich, DAR 2014, 647.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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