Polizeirichtlinien zur Verkehrsüberwachung

Wurden Sie unmittelbar nach dem Ortseingangsschild „geblitzt“? Haben Sie keine Möglichkeit gehabt, Ihre Geschwindigkeit anzupassen?

Regelung

In den polizeilichen Richtlinien der jeweiligen Bundesländer ist inhaltlich klar geregelt, wie Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden sollen. In diesen ist u.a. auch festgelegt, in welcher Entfernung zu einer Beschränkung eine Geschwindigkeitsüberwachung durchgeführt werden darf.

Entfernungen für Messungen

Diese betragen zwischen 150 Meter (so z.B. in Baden-Württemberg und Bremen) bzw. 200 Meter (z.B. in Bayern und NRW (vfl. Übersicht bei Starken DAR 1998, 85; vgl auch OLG DresdenNJW 2005, 2100). Innerhalb dieses Bereichs sollen vor und hinter Geschwindigkeitsbeschränkungen, wie dem Ortseingangsschild, keine Geschwindigkeitsmessungen stattfinden.

Verstoß gegen polizeiliche Richtlinie

Ein Verstoß gegen die Polizeirichtlinie führt aber nicht zur Unverwertbarkeit der Messung. Die Messung bleibt zwar verwertbar. Jedoch soll die Sanktion gemildert werden.

Zur Begründung wird nämlich ausgeführt, dass ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit grundsätzlich „immer“ so einrichten muss, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit beschränkenden Schildes die von dieser vorgeschriebenen Geschwindigkeit einhalten kann. Das bedeutet, dass Sie innerorts am Ortseingangsschild i.d.R. zulässige 50 km/h erreicht haben müssen.

Messergebnisse, die unter Verstoß gegen die verwaltungsinterne Richtlinie, ansonsten aber korrekt gewonnen wurden, unterliegen keinem Verwertungsverbot. Ein Freispruch kommt nicht in Betracht.

Einstellung möglich

Allerdings dürfen Sie die Erwartung hegen, dass sich die Verwaltungsbehörde über Richtlinien zur Handhabung des Verwaltungsermessens, die eine gleichmäßige Behandlung sicherstellen sollen, im Einzelfall nicht ohne sachliche Gründe hinwegsetzt. Insoweit können sich solche Richtlinien über Art. 3 Grundgesetz für den Bürger rechtsbildend auswirken und bei weniger gravierenden Verstößen oder geringer Schuld eine Einstellung des Verfahrens nach § 47 II OWiG gebieten.

Kein Fahrverbot

Der Verstoß kann insbesondere Auswirkungen auf ein zu verhängendes Fahrverbot haben. Wird nämlich das Messgerät entgegen den verwaltungsinternen Richtlinien relativ kurz nach eingesetzt, so ist das ein besonderer Tatumstand, der hinsichtlich des Fahrverbotes die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigen kann, auch wenn die Messung in ihrem Ergebnis korrekt war.

OLG Hamm DAR 2000, 580

Wenn die Geschwindigkeitsmessung unmittelbar nach dem Ortseingangsschild vorgenommen wird, wird die Verhängung eines Fahrverbots i.d.R. nicht in Betracht kommen (OLG Hamm DAR 2000, 580; OLG Köln VRS 96, 62). Die Pflichtwidrigkeit kann aufgrund einer zuzubilligenden Messtoleranz so herabgesetzt sein, dass kein Fahrverbot gerechtfertigt ist.

BGH NJW 1997, 3252

Bei schwerer oder zu später Erkennbarkeit der Ortstafel oder bei vorschriftswidriger Aufstellung des Ortsschildes können ebenfalls Milderungen, insbesondere das Absehen vom Fahrverbot in Frage kommen, vgl. BGH NJW 1997, 3252=DAR 1997,450. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob auch bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalts- und Informationspflichten das Verkehrszeichen erkennbar war, soll dies zu Lasten der Behörde gehen, OVG Münster NJW 2005, 1142.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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