Irrtum über Ampeldefekt

Liegt qualifizierter Rotlichtverstoß vor, wenn sie ca. 3 Minuten bei Rot an der LZA stehen und davon ausgehen, dass die LZA defekt ist und nicht Grün wird?

Irrige Annahme

Wenn Sie vor einer LZA zunächst anhalten, diese dann aber bei Rot in der irrigen Annahme, die Ampel sei defekt, überfahren, OLG Hamm, Beschluss vom 10. 6. 1999 – 2 Ss OWi 486/99, handeln Sie subjektiv nicht grob leichtsinnig oder grob nachlässig oder gleichgültig bzw. nicht besonders verantwortungslos.

Tatbestandsirrtum – Verbotsirrtum

Die irrige Annahme einer Funktionsstörung der LZA stellt keinen Verbotsirrtum im Sinne der Vorschrift des § 11 Absatz 2 OWiG, sondern einen Tatbestandsirrtum nach Abs. 1 dieser Vorschrift dar.

Irrtum im tatsächlichen Bereich

Ein Tatbestandsirrtum setzt eine Unkenntnis der in Wirklichkeit vorhandenen Umstände (vgl. Cramer, in: Schönke/ Schröder, StGB, 25. Aufl., § 16 Rdnr. 6; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 11 Rdnr. 2), der Verbotsirrtum hingegen eine falsche rechtliche Wertung des Betroffenen voraus (vgl. Göhler, § 11 Rdnr. 30). Der Irrtum des Betroffenen, die Ampel zeige Dauerrot und sei daher defekt, liegt hier im tatsächlichen Bereich und beruht nicht auf einer unzutreffenden rechtlichen Wertung. Daher handelt es sich um einen Tatbestandsirrtum und nicht um einen Verbotsirrtum.

Subjektiv besonders verantwortungslos

Zwar liegt ein Regelfall für die Anordnung eines Fahrverbots vor. Das besondere objektive Gewicht einer Ordnungswidrigkeit vermag indes die Annahme einer groben Pflichtverletzung für sich allein nicht rechtfertigen. Es muss vielmehr hinzukommen, dass Sie subjektiv besonders verantwortungslos handeln (vgl. BGH, NJW 1997, 3253 = NZV 1997, 525), Ihre Zuwiderhandlung muss subjektiv auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgehen (BVerfG, DAR 1996, 196,197; BGH, aaO m.w. Nachw.).

Geringerer Handlungswert

Eine besondere subjektive Verantwortlichkeit kann hier angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht angenommen werden. Der Betroffene hat durch sein Halten vor der LZA gezeigt, dass er gewillt war, das von der roten LZA ausgehende Gebot zu beachten. Seine irrige Annahme, die LZA sei defekt, ist durch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, die ihrerseits bei Rot gefahren oder ihn zum Fahren aufgefordert haben, bestärkt worden. Der Fall weist damit, vergleichbar den Fällen des Rotlichtverstoßes durch den sog. Mitzieheffekt (vgl. dazu OLG Hamm, VRS 1996, 64, 65; NZV 1995, 82; OLG Karlsruhe, NZV 1996, 206), einen vom Regelfall abweichenden deutlich geringeren Handlungswert und eine nicht als „grob“ einzustufende Pflichtwidrigkeit auf.

Rechtsanwalt Ferdi Özbay
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