Mitzieheffekt an der Ampel
Sind Sie wegen eines Wahrnehmungsfehlers bei Rot in die Kreuzung eingefahren, weil der neben Ihnen haltende Autofahrer plötzlich losgefahren ist?
Was bedeutet Mietzieheffekt?
Wenn Sie zunächst ordnungsgemäß vor dem Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage anhalten und erst wieder auf Grund eines Wahrnehmungsfehlers in die Kreuzung einfahren, als der neben Ihnen haltende Kraftfahrzeugführer anfährt, dann beruht der Verstoß auf einem sogenannten „Mitzieheffekt“. Unter diesen Umständen stellt sich der festgestellte Rotlichtverstoß nicht als Regelfall eines groben Pflichtverstoßes dar.
Keine grobe oder beharrliche Verletzung
Wenn Sie als Linksabbieger bei Rot anhalten und bei Umschalten der LZA für die Fahrtrichtung geradeaus in die Kreuzung einfahren und in der Mitte der Kreuzung wieder anhalten, um den Gegenverkehr passieren zu lassen (OLG Hamm, Beschluss vom 09.11.1999 – 2 Ss OWi 1065/99222, OLG Hamm NZV 1995, 82; OLG Köln NZV 1994, 330; OLG Oldenburg NZV 1994, 38; BayObLG DAR 1995, 30), kann nicht angenommen werden, dass Sie die Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.d. § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG begangen haben.
Kein Regelfall
Da die Ampel längere Zeit Rotlicht zeigte, als Sie in die Kreuzung einfuhren, liegen zwar den äußeren Gegebenheiten nach die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Nr. 4 BKatV vor, doch führt dies nicht ohne weiteres zur Annahme eines Regelfalles (vgl. OLG Hamm, ZfS 1995, 152; OLG Düsseldorf, NZV 1994, 161; DAR 1993, 272).
Indiziert groben Verstoß
Zwar indiziert die Erfüllung eines Tatbestandes, der ein Regelfahrverbot vorsieht, grundsätzlich das Vorliegen eines groben Verstoßes i.S.v. § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG, für den es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 134; 38, 231, 235), jedoch dürfen die konkreten Umstände des Einzelfalles in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht unberücksichtigt bleiben (BVerfG DAR 1996, 196; BGHSt 38, 125).
Handlungsunwert der groben Pflichtwidrigkeit
Anknüpfungspunkt für die vom Verordnungsgeber gewollte schärfere Ahndung des Rotlichtverstoßes ist das grob pflichtwidrige, abstrakt und ggf. konkret den Querverkehr gefährdende Verhalten des Verkehrsteilnehmers. Fehlt es aber, wie hier, an dem vorausgesetzten Handlungsunwert der groben Pflichtwidrigkeit, ist der Regeltatbestand auch dann nicht erfüllt, wenn es zu einem Schaden kommt (vgl. auch OLG Hamburg VM 1995, 35).
Bei einem Mitzieheffekt begegnet die Anordnung eines Fahrverbots rechtlichen Bedenken, da nicht angenommen werden kann, dass der Betroffene den Rotlichtverstoß unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.d. § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG begangen hat.
Beharrlicher Pflichtverstoß
Eine Wiederholung allein beweist noch nicht Beharrlichkeit, da nach allgemeiner Meinung der subjektive Tatbestand ein Handeln des Täters erfordert, das auf einem Mangel an rechtstreuer Gesinnung beruht (vgl. auch OLG Braunschweig DAR 1999, 273, 274; Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Rdnr. 15 m.w.Nachw.).
Ebenso wie die grobe Pflichtverletzung, bei der es sich um einen Verkehrsverstoß von besonderem Gewicht handeln muss, der abstrakt oder konkret besonders gefährlich ist, muss auch bei dem beharrlichen Pflichtverstoß eine gemeinschaftsschädliche Grundhaltung des Betroffenen vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. 6. 1999 in 2 Ss OWi 509/99, NZV 2000, 92; OLG Braunschweig a.a.O.).